Wer ist Christoph Haupt?

Als Begründer und einziger Vertreter der Schule des Neo-Orienta­lismus bezeichnete er scherzhaft sich selbst. Er ist der Schöpfer surrealer Bildwelten, in denen grotesk verformte, schlitz­äugige Mädchen wie Schauspielerinnen absurde Szenen darstellen. Mit wenigem ausgestattet – etwa einem roten Schlauch­kleid und einem kleinen Tee-Set für zwei Personen, einem Krustentier oder Insekt als Beigabe, stellen sie eine vieldeutige, magische innere Welt dar. Haupt bewältigt in seiner Malerei einen Spagat zwi­schen altmeisterlichem sfumato, respiratione und comic-artigem Pop. Die atmosphärische Intensität seiner Druckgrafik ist den Holzschnitten Japans oder denen des Münchner Jugend­stils ver­gleichbar.

Dr. Friedrich Garbarian

Christoph Haupt

  • Studium der Malerei bei Prof. Ludwig Scharl an der Akademie der Bildenden Künste
    in Nürnberg mit Abschluß als Meisterschüler, 1985 – 1991
  • Aktzeichenlehrer an selbiger Akademie, 1991 – 1994
  • Gründung der Edition "Der Prager" mit Johannes Grützke, 1993
  • Seit 1997 häufige Reisen nach Asien
  • Austauschkünstler der Stadt Nürnberg in Shenzhen, 2001
  • Christoph Haupt lebt und arbeitet in und bei Fürth/Bayern

Ausstellungen (Auswahl):

  • „Krebs, Hundekoch und Sternschnuppen“ 2001 Shenzhen
  • „3000jährige Eier“ Galerie Frebel, Westerland 2004
  • "In Shenzhen – aus Shenzhen" zusammen mit Thomas May im K4, Nürnberg 2003
  • Beteiligung an der Bienale für Tuschemalerei in Shenzhen, Guanshanyue Art Museum
    2002, 2004 und 2008
  • „Lenzduft, Lotos, Maschinengewehr und die anderen Mädchen" Zumicon, Nuernberg, 2005
  • „China- Episoden aus der Geschichte“ zusammen mit Johannes Grützke,
    Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, 2007
  • „Johannes Grützkes und Christoph Haupts China“ Shenzhen, Institute of Fine Arts –
    Atelier Schaarmann, Hamburg – Schloß Almoshof, Nürnberg 2007tl_files/content/Aktuell/La-Promenade-avec-les-filles.jpg
  • „Sehschlitze“ Atelier Schaarmann, Hamburg 2007
  • „Die Gelbe Ente und andere Chinoiserien von Johannes Grützke und Christoph Haupt“,
    Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen, 2008
  • „Johannes Grützke und Christoph Haupt“ Galerie Atzenhofer, Nürnberg 2011/2012
  • »La Promenade avec les filles – Une exposition mondiale«, Galerie en promenade, Metz 2014

Veröffentlichungen

  • „Der Prager - Eine interessante Caféhaus-Zeitung für gute Leser“ Edition Der Prager,
    zusammen mit Johannes Grützke
  • „Ein Dichter schreibt mit“ Edition der Prager, zusammen mit Johannes Grützke, 2002
  • „China - Episoden aus der Geschichte“ Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg,
    zusammen mit Johannes Grützke, 2006
  • „Sehschlitze“ Katalog zur Ausstellungsreihe 2007

Jenseits von schön und häßlich

Was hat es mit Haupts chinesischen Mädchen auf sich -: Sind sie schön oder häßlich? Hat Haupt etwa eine Vorliebe für junge Asiatinnen – gar eine Obsession? Zelebriert er in diesen Bildern sein Schönheitsideal? Oder macht er sich im Gegenteil in satirischer Weise über eine Volksgruppe lustig?

Solche und ähnliche Mutmaßungen werden Haupts Werk gerne angehängt, haben aber mit der Sache nichts zu tun. Die Vorstellung, daß ein Maler, der eine Frau malt, ein Schönheitsideal darstellen will, ist so eingefleischt, daß sie selbst bei Haupts Chinesinnen zu Tage tritt, obwohl diese, mit ihren insektenhaften Giedern und karoffelförmigen Köpfen, so offensichtlich gar nicht zum Schönheitsideal geeignet sind.

Die Diskriminierung von schön und häßlich ist nicht die Sache des Malers. Diese Figuren sind jenseits von schön und häßlich, denn sie sind keine Menschen, sondern Malerei. Sie haben nichts mit den Reklame-Damen, den Siegertypen einer von der Industrie bestimmten Massenkultur gemein. Sie machen keine Reklame – weder für sich selbst, noch für Haupt, noch für sonstwas; sie müssen nicht schön sein, sondern wahr, denn sie sind Malerei.

Wir können also sagen, daß die Bedeutung von Haupts Chinesinnen in nichts anderem liegt, als das Personal zu sein, das in dessen Malerei das Leben darstellt. Sie tun elementare Dinge: Sie lachen, essen, schlafen oder sitzen da und schauen. Darüber hinaus ist ihr Dasein kryptisch -: Das muß so sein, denn sie stellen das Leben dar.

Sieht man diese Chinesinnen nun als Personal, so ist dieses natürlich austauschbar - und erweiterbar. Im Jahr 2011 wurde Haupts Personal erweitert um einige Jäger, die vor Sonnenaufgang ins Gebirge hinaufgestiegen sind und dort auf eine Stubenfliege treffen, ein kleines blondes Mädchen mit einem Raben vor einem unheimlichen Herbstwald und Karl Friedrich Schinkel der sich gemeinsam mit einem gewissen Peter Wagner, auf Waldhörnern musizierend, auf einer Bootspartie bei Berlin befindet.

Dr. Friedrich Garbarian, 2011, St. Gallen


Ich bin kein China-Fähn (engl.: fan)

Damen und Herren, Ich bin kein China-Fähn. Warum dann all diese schlitzäugigen Mädchen, fragen Sie sich sicher nun. Der Begriff Chinoiserie, den ich gerne im Zusammenhang mit meinen Arbeiten gebrauche, sagt es schon beinahe. Die Chinoiserien des 18ten Jahrhunderts haben nur wenig mit China zu tun. Sie beruhen auf romantischen Vorstellungen, auf einem erfundenen China. Denken Sie an den Teepavillon in Potsdam oder den Chinesen­turm in München – dergleichen hat es in China nie gegeben. Auch in meinen Bildern hat ein reales China wenig Platz. Allerdings geht es mir auch nicht um eine exotische Atmosphäre, wie das bei den Orientalismen des 18ten und 19ten Jahrhunderts der Fall ist. Ja ich versuche, einen exotischen Stimmungs­gehalt so weit wie möglich zu vermeiden. In meinem bildnerischen Verfahren ist China nichts anderes als eine Art Kontrastmittel, auf dem als Hintergrund ein sonst nicht wahrnehmbares Ureigentum sichtbar wird. Wenn ich etwa schlitzäugige Mädchen beim Verzehren von lebenden Kröten darstelle, dann will ich damit nicht zeigen, wie das Leben in China ist, denn das hieße, im Illustrativen stecken zu bleiben. Ich will damit auch keine ethischen Vorstellungen zum Ausdruck bringen, denn auch das würde gegen den Absolutheitsanspruch des Bildes sein. Wenn ich etwa einen Franzosen beim verzehren eines Frosches darstellen würde, wäre das eine zur Albernheit verkommene Satire. Die Kröten essenden Chinesinnen aber werden zu Trägern einer poetischen Wahrheit. Sie verhalten sich wie ein guter Schauspieler, der in der Lage ist alles darzustellen.

Christoph Haupt


Das Lernen und des Lernens Ziel

Ein Traktat der Tee-Akademie

1. Über das Einschenken*

Wenn von der Kunst des Tee-Trinkens die Rede ist, meint der mit Nüchternheit gestrafte, westwärts ausgerichtete, moderne Mensch gerne, es handele sich um eine schwärmerische Übertreibung verträumter Freunde fernöstlicher Geistigkeit. Oh, wie weit geht er fehl! Wird doch in China bereits das Einschenken des Tees als eine Kunstform angesehen, die in den Tee-Akademien jahrelang studiert werden muß, bevor ein Teehaus-Mädchen als solches Anerkennung findet. Das Einschenken ohne Hinschauen ist dabei das signifikante Merkmal der Meisterschaft. Die Erlangung dieser Meisterschaft ist ein Mysterium, denn es ist ausgeschlossen, sich ihr durch Übung zu nähern: In der Tee-Akademie darf auf keinen Fall Tee verschüttet werden; und mit Wasser zu üben, wäre ein ganz und gar nutzloses Unterfangen, denn man würde dabei nur das Wasser-Einschenken erlernen und müßte beim Tee wieder von ganz vorne anfangen. Die Studentin der Tee-Akademie erlernt also nicht im eigentlichen Sinne das Einschenken ohne Hinschauen, denn der Tee-Strahl sucht und findet die Tasse selbst; der Studentin Studium besteht eher in einem Verlernen -: Verlernen von Eigenschaften, die den zielstrebigen Strahl ablenken.

Zur Vertiefung der Meisterschaft wird dann das Einschenken um die Ecke oder das Einschenken in eine Tasse mit verschlossenem Deckel geübt. Von den legendären Teehaus-Mädchen des alten China wird unglaubliches berichtet -: die berühmte Susi Blumenvase etwa soll im Teehaus „zum Drachenbrunnen“, in Nanking in eine Tasse eingeschenkt haben, die im Teehaus „zum Wohlgefallen“, in Kanton stand. Freilich ist viel unnötiger Hokuspokus dabei, wie das di sotto in su-Einschenken, das im 18ten Jh. in Mode kam.

Der westliche Adept sollte sich von solcher Kunstfertigkeit nicht entmutigen lassen. Er übe unverzagt zunächst das Tee-Einschenken in heiterem Wohlwollen.

2. Über das Tee-Trinken

Das Tee-Trinken unterscheidet sich wesentlich vom Trinken anderer Getränke. Beiläufig sei hier auf den landläufigen Irrtum hingewiesen, daß das Tee-Trinken dem Wasser-Trinken verwandt sei, da der Tee dem Wasser nichts an Volumen hinzufügt und Konsistenz und Transparenz des Wasser erhält. In Wahrheit hat das Tee-Trinken nichts mit der viehischen Unart des Wasser-Saufens gemein, das durch Scharlatane propagiert, in den letzten Jahren häufig in unmäßiger Weise - auch schamlos in der Öffentlichkeit - praktiziert wird. Die gesundheitlichen Risiken des Wasser-Mißbrauchs sind enorm: Der Geist wird verwässert, und im Darm bilden sich Moose und Algen, die manigfache Variationen des Unwohlseins verursachen. Der Tee, der bekanntlich anfänglich Arzneimittel war, bevor er des Genusses wegen getrunken wurde, hat die wunderbare Eigenschaft alle schädlichen Wirkungen des Wassers zu neutralisieren.

Der wesentliche Unterschied ist jedoch ein anderer, denn es handelt sich nicht lediglich um den Unterschied zwischen Tee-Trinken und Wasser-Trinken, sondern um den Unterschied zwischen dem Tee-Trinken und dem Trinken aller anderen Getränke - also auch ebenso wohltuender Getränke. Das Trinken eines Getränks mag so wohltuend sein, wie es will, es bleibt letztendlich doch nur ein Trinken eines Getränks, während das Tee-Trinken Philosophie ist -: angewandte, praktizierte Philosophie.

Tee-Trinken steht für Wachheit und Gelassenheit**. Beide Eigenschaften gelten in einer modernen Welt beinahe als Gegensätze; dort aber wo der Tee und die Philosophie des Tee-Trinkens zuhause sind, ist die Einheit von Wachheit und Gelassenheit Anlaß, Lust und Ziel des Tee-Trinkens.

Wie geht das zu? Macht der Tee nicht auch ohne Philosophie wach, und wo soll die Gelassenheit herkommen? Ja, freilich, die Wachheit ist die direkte Wirkung des Tees, die Gelassenheit trotz Wachheit aber ist die Wirkung des Einschenkens in heiterem Wohlwollen. Hat der Adept nun beharrlich geübt, sodaß für ihn das Tee-Einschenken ohne heiteres Wohlwollen gar nicht mehr denkbar ist, dann ist er reif um in das Reich der Philosophie einzutreten, denn nun steht ihm das Gesetz der Umkehrbarkeit von Ursache und Wirkung zu Gebot. Ist er nun der Gelassenheit und des heiteren Wohlwollens verlustig gegangen, schenke er nur Tee ein, und das heitere Wohlwollen wird sich zeigen; er lehne sich zurück und schlürfe den Tee und mit ihm Wachheit und Gelassenheit.

* Seltsamer Weise beginnt die Tee-Kunst in diesem Traktat mit dem Einschenken. Wir wissen nicht, ob die Kenntnis der richtigen Zubereitung als selbstverständlich vorausgesetzt wird oder ob dieses Geheimnis dem westlichen Leser, an den sich diese Schrift offenbar wendet, vorenthalten bleiben soll. Fühlt sich der Autor - zweifellos ein Philosoph - vielleicht über eine profane Diesseitigkeit wie Teekochen erhaben oder ist einfach der erste Abschnitt verloren gegangen - wir wissen es nicht. (Anmerkung des Übersetzers)
** Man beachte in diesem Zusammenhang die deutsche Wendung abwarten und Tee trinken (Anmerkung des Übersetzers)

Einschenken ohne Hinschauen

von Dr. Friedrich Garbarian · St. Gallen im November 2013

Christoph Haupt unterbrach seine künstlerische Tätigkeit nach dem Studium der Malerei und nahm diese 10 Jahre später in China wieder auf *. Sein erstes Bildmotiv dort war ein Teehaus-Mädchen beim Einschenken von Tee. In den zunächst ungelenken Bildern des in der figurativen Malerei Ungeübten schauten die Teehausmädchen irgendwo hin und nicht auf die Tasse, wie es eine glaubhafte Darstellung erforderte. Der Fehler wäre bei weiteren Darstellungen leicht zu beheben gewesen, wurde aber in zahlreichen Variationen, in Malerei, Grafik und Dichtung mit Bedeutung geladen celebriert – ja, wurde gleichsam zum künstlerischen Credo.

Der Linoldruck „Das Lernen und des Lernens Ziel“** zeigt eine somnambule Szenerie vor gerade leicht abendlich gefärbten Himmel. Zwei in Träumen versunkene Asiatinen halten kleine Tablets mit zwei Tee-Schalen darauf in Händen. Beiden ist jeweils ein vorbeischwebendes, himmlisches Tee-Mädchen zugeordnet. Die eine hat offenbar ihren Tee bereits eingeschenkt und zieht weiter, den rosigen Wölkchen nach, mit komisch, theatralischer Ergriffenheit in der Gebärde. Der Beschenkten Ausdruck ist selige Zufriedenheit. Die zweite Himmlische schenkt gerade ein und rafft ihr Kleid mit der anderen Hand, als könnte sie darauftreten; sie schaut dabei in den Himmel. Der Tee-Strahl nimmt eine S-förmige Kurve und trifft zielsicher in die Schale. Die so Beschenkte träumt mit konvulsivischen Entzücken.

Der Bildtitel ist mit ins Bild hinein genommen: In wolkenartigen, Sprechblasen- ähnlichen Feldern steht zu lesen: Das Lernen und des Lernens Ziel. Der so zur Inschrift erhobene Bildtitel mutet allerdings hier sehr kryptisch an. Der Betrachter wird in seinem Bestreben, zu ergründen, wer was lernt und zu welchem Ziel, allein gelassen. Bedeutungs-Tiefe wird suggeriert, doch drängt sich nicht in belehrender Weise in festgelegten Begriffen auf.

Man bedenke was Haupt aus seinem Anfänger-Fehler bei der Darstellung eines Tee- einschenkenden Mädchens gelernt hat – dann kommt man dem Bild-Gehalt ziemlich nahe.

*

Der Linoldruck wird als Mitteilung ergänzt durch ein gleich betiteltes Traktat der Tee- Akademie. Das Bild ist dabei keine Illustration zum Text und der erklärt nicht das Bild -: der Text ist eine poetische Variation zum Bild.

Wer jemals Dichtung von Haupt gelesen hat, wird hier sofort seine Autorenschaft erkennen, die er einem ungenannten Chinesen unterschiebt, der sich an eine westliche Leserschaft wendet.

Das Traktat verweist auf Okakura Kakuzos herrliches „Buch vom Tee“. Es ist von einem Japaner für ein westliches Publikum geschrieben. Es geht darin um viel mehr als Tee – es gibt Einblick in die Tiefen ostasiatischen Geistes.

Haupts Arbeiten haben ein anderes Anliegen -: Chinoiserien nennt er seine auf China Bezug nehmenden Bildschöpfungen und Dichtungen: Es ist ein erfundenes China, ein Kontrastmittel – der Hintergrund, auf dem sein künstlerisches Ureigentum sichtbar wird.

* Wer Näheres über Christoph Haupt erfahren will, besuche www.christophhaupt.com
** Haupt hat die Drucke selbst hergestellt in seinem Atelier auf einer sogenannten Nudelpresse. Die acht Farben sind von vier Druckplatten gedruckt. Die Vorgehensweise entspricht teilweise dem Prinzip der verlorenen Form, bei dem die Druckstöcke zerstört werden. Probedrucke oder eine Wiederholung des Druck- Prozesses sind also nicht möglich. Ein achtfarbiger Künstlerdruck ist ein enorm arbeitsintensives Unternehmen, ein Wagestück mit ungewissem Ausgang, das ein auf Erfahrung gründendes, planvolles Arbeiten aber auch Spontnität erfordert.